Post by Juergen P. MeierPost by Dirk Moebius[Übliche Polemik]
Die Standards sind frei und bekannt. Ihr koennt Euch Euer eigenes
Usenet bauen. Sogar mit Blackjack und Nutten.
Aber bitte nicht Usenet II oder Usenet 2 nennen, denn beide Namen
sind schon fuer aehnliche Projekte in Verwendung.
Die einzigen net.ALL-Gruppen, in denen man Leben finden kann, sind
diejenigen, welche zu Zeiten von Usenet 0.xxx - 0.9 ins Leben gerufen
worden sind und die von Joey Hess unter nntp.oldusenet.net z.T. noch
mittels Bändern wieder neu eingespeist werden;-)
Usenet II (also die neuen net.ALL-Gruppen) ist tot und letztlich wohl an
Überregulierung, Arroganz der Czars und grobes Missverständnis dessen,
was das Usenet ausmacht, gescheitert.
Es ist letztlich selbst von den damaligen z.T. ziemlich frustrierten
Vätern des Usenets nicht wirklich akzeptiert worden -- geschweige denn
von einer nennenswerten Anzahl von Newsserverbetreibern oder gar den
"Otto-Normal-Usern".
Möglicherweise würde es heute von einer jungen "Kundschaft", welche von
Facebook oder zumeist moderierten Foren/Web2.0-Communities "verwöhnt"
werden, eher akzeptiert werden, sofern diese User überhaupt noch den Weg
in ein optisch nüchternes textorientiertes Medium finden wollen.
Aber selbst Versuche, das Usenet weitestgehend frei von Regulierung zu
gestalten, sind letztlich gescheitert, siehe free.ALL.
Dies mag einerseits daran liegen, dass free.ALL von populären Providern
nicht oder nur teilweise im Bestand geführt worden ist bzw nicht geführt
wird (z.B. Arcor) und andererseits User offenbar dazu neigen, lieber in
nationalen bzw. sprachspezifischen Hierarchien zu diskutieren.
Vermutlich sind beide Extreme (net.*/free.*) als Konzept ungeeignet.
Usenet-II beschränkte die Kooperationsbereitschaft in einer
unangemessenen Weise, die die User nicht akzeptiert haben und free.all
setzt letztlich zuviel an Kooperationsbereitschaft voraus (z.B. Toleranz
gegenüber Spam).
Letztlich hat wohl -- neben menschlichen Aspekten -- die
Partikularisierung des Netzes nicht unerheblich zu einer Zersplitterung
der Userschaft und in Folge zu einem schleichenden Aussterben geführt.
Was heute wohl sinnvoll und erforderlich wäre, wäre eine relative rigide
Bereinigung, sprich z.B. eine Wiedereingliederung der alt-Hierarchie in
die Big-8 (nebst einer Umgestaltung der Administration der Big-8) und
eine Zusammenlegung aller sprachspezifischen Gruppen (z.B. alle
deutschsprachigen Gruppen unterhalb einer Hierarchie).
Doch ein solches Vorhaben würde ein Maß an Kooperationsbereitschaft
erfordern, welches (realistisch betrachtet) heute wohl kaum zu
realisieren wäre. Zu sehr prallen Ideologien oder liebgewonnene Usancen
aufeinander, als dass eine Annäherung möglich wäre.
Mein persönliches Resumée: Ein Engagement für das Usenet lohnt sich
nicht mehr und ist Zeitvergeudung. Kooperationsbereitschaft ist eine
Idealvorstellung, der in einer zunehmend verrechtlichen Gesellschaft
keinen besonderen Wert mehr zugemessen wird, denn sie setzt ein
gehöriges Maß an Eigenverantwortung voraus.
Eigenverantwortung und das "Sich-selbst-in-den-Hintern-treten", ist
allerdings mühselig und schmerzhaft und erfordert Disziplin.
Sehr viel einfacher ist doch, Sündenböcke zu suchen oder nach dem
starken Staat/Mann/Institution/etc. zu krähen -- oder man geht eben
dorthin, wo man dem recht einfach aus dem Wege geht und sich
ausschließlich mit sich selbst auseinanderzusetzen braucht, indem man
eine Einsiedelei in seinem eigenen Blog aufmacht.
Die Anzahl der Blogs kann man zugleich als Grad der "Vernerdung" der
Netzgesellschaft sehen. Nicht mehr der kooperierende Netzbürger ist
angesagt, sondern der Netzegoist, der Narziss und Netzpfau, der jedem
gerne sein Rad zeigen möchte.
Für das Usenet sind Netzegoisten jedoch tödlich, sowohl in der
Diskussionskultur als auch für eine konstruktive Auseinandersetzung mit
"den anderen". So gesehen ist das Sterben des Usenets und das Entstehen
des Web2.0 ein Spiegel der Befindlichkeiten einer Gesellschaft.
X'Post: de.admin.news.groups,de.soc.usenet
F'Up2 : de.soc.usenet